Kreuzwort vom 27.09.2025
Mit diesen alten Männergeschichten könne sie nichts anfangen, sagte eine Studienkollegin, die gerne klare Ansagen machte - sie aber auch von Andersdenkenden akzeptierte und mit ihnen im Gespräch blieb. Ich meinte dann immer, dass ich mich gerade in diesen Geschichten wiederfinden würde. Es ging um die Erzählungen im ersten Mosebuch der Bibel. Um die Erfahrungen der Erzväter Abraham, Isaak und Jakob. Keine klassischen Heldengestalten übrigens, sondern Menschen mit ganz augenfälligen Fehlern und Schwächen. Jakob betrügt seinen Bruder um den Erstgeburtssegen und muss fliehen. Von Beerscheba nach Haran, heißt es in der Bibel. Unterwegs erreicht er einen einsamen, irgendwie trostlosen Ort. Es wird Nacht und er ist müde. Da ist nur ein Stein, auf den er seinen Kopf betten kann. Der Schlaf übermannt ihn. Und Jakob träumt. Eine Leiter führt von der Erde zum Himmel. Engel steigen auf und ab. Und ganz oben erkennt Jakob die Gegenwart Gottes. Der dem Träumenden begegnet. Ihn anspricht. Ihm am Ende verspricht: „Ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“ In der Bibel sind Träume mehr als undeutliche Echos unserer Alltagserfahrung oder dunkle Eruptionen aus den Tiefen des Unterbewusstseins. Es kann geschehen, dass jene Sphäre sich öffnet, die Bonhoeffer gespürt und beschrieben hat im Gedicht von den „guten Mächten“: die Welt, die unsichtbar sich um uns weitet. Als Jakob erwacht, ist er immer noch ergriffen von dieser Welt. Die Wirklichkeit Gottes erfüllt ihn: „Wie heilig ist diese Stätte. Hier ist nichts anderes als Gottes Haus und die Pforte des Himmels.“ Und Jakob errichtet ein Steinmal und nennt diesen einsamen Ort der Gotteserfahrung: Bethel – Haus Gottes. Viele unserer alten Gotteshäuser sind an solchen Erfahrungsorten entstanden. Man spürte eine besondere Gegenwart. Tröstlich, bergend und heilend. Die Propheten des Alten Testamentes haben es angekündigt. Gott wird auch in Träumen zu uns sprechen. Aber entscheidend ist, dass er zu uns redet und was er uns sagt. Das Steinmal erinnert Jakob nicht so sehr an seinen Traum. Es vergegenwärtigt ihm die Zusage Gottes: ich werde mit Dir sein und Dich behüten. Wir brauchen solche Erinnerungsmale, Denkmäler unseres Glaubens. Inmitten einer Welt, wo unsere Sinne und Gedanken von so vielem überschwemmt werden. Und es gibt diese Orte, wo der Geist Ruhe findet und die Seele neue Kraft. Wo das Vertrauen sich aufrichtet: dass da ein Gott ist, Gott mit uns: unwandelbar sein Wort und seine Treue, stärker selbst als der Tod seine Liebe. Dieser Liebe hat Gott selbst ein Denkmal gesetzt. Im Kreuz Jesu Christi.
Michael Nachtrag