Kreuzwort vom 20.09.2025
Ende August, Paar-Auszeit in Berlin. Drei Begegnungen wirken besonders nach:
1. Bei einer Führung rund um die „Hackeschen Höfe“ werden wir mit der Geschichte vor und im Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Die Stadtführerin, eine Jüdin, erzählt von Otto Weidt, einem Unternehmer und überzeugten Pazifisten. In einer Werkstatt stellte er mit taubstummen und blinden jüdischen Arbeiterinnen und Arbeitern Besen und Bürsten her. Mit Schläue und Bestechung der Nazis wurde er zum Lebensretter für viele. Als ich ein Stück Weg mit unserer Begleiterin gehe, singe ich die ersten Zeilen des israelischen Liebesliedes „Erev shel shoshanim“. Spontan fängt sie an zu tanzen und singt mit.
Ich träume, dass eines Tages Israelis und Palästinenser gemeinsam fröhliche Feste feiern auf den Straßen von Tel Aviv, Gaza und Jerusalem.
2. Am Sonntag feiern wir den Zelt-Gottesdienst im Garten des Franziskanerklosters Pankow mit. Predigt und Lieder berühren. Viele holen sich am Schluss einen persönlichen Segen. In Gruppen stehen Gemeindemitglieder noch beieinander. Dann zeigen uns unsere Berliner Freunde den neuen Saal der Suppenküche. 350 Menschen kommen täglich außer Montag zu einer kostenlosen Mahlzeit. Kleiderbasar, Hygienestation und Sozialberatung gibt es auch. Der Koch wird von vielen Ehrenamtlichen unterstützt. Die Suppenküche finanziert sich durch Spenden. Die ersten Gäste kommen. Sie sind arm, viele von ihnen leben auf der Straße. Hier werden sie mit Würde behandelt. In dieser Gemeinde erlebe ich Kirche als Oase und Hoffnungsort.
Ich bin dankbar für die Haupt- und Ehrenamtlichen der Caritas und Diakonie. Auch sie geben ein glaubwürdiges Zeugnis der Frohen Botschaft. Sie sind Nothelfer in der Pflege, der Begleitung von Asylsuchenden oder der Beratung von psychisch angeschlagenen Menschen.
3. Am Nachmittag gehen wir an der Mauer entlang, die Deutschland in Ost und West teilte. Die Bilder auf den Mauerabschnitten erzählen von der Sehnsucht nach Frieden und Freiheit. Um mich herum ein Gemisch von Sprachen aus aller Welt. Als Mahnung und Auftrag kaufe ich ein zertifiziertes buntes Mauerstück.
Ich denke an die Mauern von Hass und Gleichgültigkeit, die ich erlebe. Ich bete, dass sie abgerissen werden. Dass Familien nicht um ihr Leben fürchten oder flüchten müssen. Dass die platten Parolen der rechten Rattenfänger nicht mehr greifen. Dass wir Zivilcourage zeigen, Menschlichkeit und Frieden üben.
Berlin ist eine Reise wert.
Burkhard Fecher, Gemünden,
Pastoralreferent,
Ehe-, Familien- und Lebensberater i.R.