Kreuzwort vom 17.05.2025
Am 9.Mai wäre mein Vater 100 Jahre alt geworden. Ich denke dabei auch an das Kriegsende vor 80 Jahren: Nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft läuft der gerade 20-jährige Walter von Würzburg nach Kleinostheim. Die elterliche Gastwirtschaft „Zur Krone“ ist zum Teil zerstört. Aufbaujahre stehen an. Auch der jüngere Bruder kommt heim. Der Älteste bleibt in Russland vermisst.
Dass Papa überlebt hat, ist ein Wunder. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 äußerte er gegenüber Wehrmachtsangehörigen, es sei „besser gewesen für Volk und Truppe, wenn der Anschlag geglückt wäre“. Dafür wurde mein Vater denunziert und von Kriegsrichtern zum Tode verurteilt. Seinem General verdankte er die Umwandlung der Todesstrafe in einen dreiwöchigen Arrest. Wenn Papa davon erzählte, hörte ich seinen Auftrag: Demokratie ist nicht selbstverständlich. Misch dich ein, wenn Menschen andere klein machen und Hass verbreiten!
Dankbarkeit ist eine weitere Lektion: Papa sagte: „Seit der Begnadigung war ich mit dem Leben nicht mehr unzufrieden: Ich habe die Zeit jetzt geschenkt bekommen.“ Jeder Morgen war ein Geschenk. Als Postbote kannte er jedes Haus. Frohe und traurige Geschichten wurden ihm anvertraut. Später am Tag war er Gastwirt. Als Jugendlicher habe ich mitgeholfen und viel fürs Leben gelernt.
Die beiden Berufe meines Vaters habe ich weitergeführt, nur auf etwas andere Weise: Als Pastoralreferent habe ich meine Berufung verstanden, ein Bote der Frohen Botschaft zu sein und die befreienden Begegnungen mit Jesus ins Heute zu übersetzen. Vom Würzburger Pastoraltheologen Rolf Zerfaß habe ich gelernt: „Seelsorge ist Gastfreundschaft“. Mit meinen Teams begleite ich spirituelle Wanderungen im Spessart. Die Natur ist wie eine Wirtin. Grünkraft lädt zum Aufatmen und Erzählen ein. Genuss zum Schluss: Fröhliche Einkehr in einem Gasthaus.
Papa drückte seine Gefühle eher indirekt aus. Einmal sagte er mir im Blick auf Resi, seine Frau, meine Mama: „Unsere Ehe wurde mit drei Söhnen gesegnet“. Diesen Satz hüte ich wie einen Schatz. Wenn meine Frau Edith und ich heute Paare segnen und dabei die Hände auf ihre Schultern legen, leuchten die Augen. Gottes Liebe geht unter die Haut.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich wünsche Ihnen, dass Sie starkmachende Lebenslektionen von Ihrem Vater mitbekommen haben oder anderen väterlichen Menschen begegnen, die Ihnen Lehrmeister und ein Segen sind.
Burkhard Fecher, Gemünden
Pastoralreferent und
Ehe-, Familien- und Lebensberater i.R.