Der Vagusnerv der Kirche

Kreuzworte
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Kreuzwort vom 03.05.2025

Seit einiger Zeit wird man immer wieder auf den Vagusnerv aufmerksam gemacht: Man soll ihn stärken, stimulieren, mehr beachten, etc. Denn dieser Nerv ist laut moderner Wissenschaft das „A und O für das Wohlbefinden.“ Man soll ihn massieren, durch kaltes Duschen anregen, Yoga üben, Om singen...all diese Tipps kann man im Internet finden. Die Wortbedeutung hängt mit dem Begriff „umherschweifen“ zusammen und folglich kann man ihn als „umherschweifenden Nerv“ bezeichnen. So viel zur Medizin. Wenn ich an das „A und O für das Wohlbefinden“ denke, dann fällt mir auch die Kirche ein, vielmehr die Kirchen, in der Mehrzahl. Denn auch wenn die Öffentlichkeit aktuell verstärkt nach Rom blickt, so gibt es schließlich auch noch andere Kirchen bei uns . Für alle diese Kirchen und auch für unsere Gesellschaft stellt sich die Frage: Was ist ihr Vagusnerv? Wie kann man ihn stimulieren? Denn an Wohlbefinden scheint es auf allen Ebenen zu mangeln. Ich nehme an allen Ecken und Enden Verunsicherung wahr und ja - „gemeckert“ wird auch sehr viel. Wie können wir also den Vagusnerv stärken, wie das allgemeine Gefühl von Wohlbefinden steigern?

Ein Trick, den Vagusnerv zu stimulieren, besteht darin, beim Einatmen auf 4 zu zählen, dann kurz die Luft anzuhalten und auf 6 wieder auszuatmen. Ich weiß nicht, ob das wissenschaftlich erforscht ist, ich habe es jedenfalls ausprobiert. Tatsächlich habe ich mich danach ruhiger gefühlt. Das mag auch einfach daran gelegen haben, dass diese kleine Übung für eine kurze Unterbrechung sorgt. Während man seine Atemzüge zählt, kann man nicht Grübeln. Vielleicht ist es tatsächlich so einfach. Überträgt man das Ganze auf die Situation in Kirche und Welt, komme ich zu dem Schluss: Vielleicht brauchen wir alle eine Pause. Eine Pause von den hohen Erwartungen, eine Pause auch von den vielen Enttäuschungen. Eine Pause von der Angst und der Unsicherheit.

Vielleicht hilft es, sich auf den nächsten Atemzug zu konzentrieren, auf das Notwendige, das getan werden muss. Dabei darf dann der Blick auch weitergehen: Auf die Anderen, die unser Zupacken brauchen, nicht unser Zögern und Jammern.

Auf uns selbst, die wir etwas Entspannung nötig haben. Entspannung, die nicht dadurch entsteht, dass endlich alles gut ist und das absolute Wohlbefinden erreicht ist. Sondern eher eine Entspannung, die daraus entsteht, dass wir einfach mal annehmen, was jetzt gerade ist.

Das heißt nicht, dass wir aufhören sollten, an der Verbesserung von Welt und Kirche zu arbeiten, aber es heißt, dass wir immer wieder mal den Druck rausnehmen und einmal innehalten.

So wie in der römisch-katholischen Welt augenblicklich eine kurze Phase der Besinnung und des Innehaltens angesagt ist, so können wir auch unsere Befindlichkeit einmal kurz „anhalten“: Durchatmen, zur Ruhe kommen, Om singen oder Amen sagen. Ja, so sei es.

Eva Meder-Thünemann